Indischer Ozean Magazin
ADVERTORIAL Bourbon-Vanille – welch‘ ein Duft Es ist Markttag in Saint-Pierre. Nathalie breitet hunderte Vanillestangen auf ihrem mit bunten Tüchern geschmückten Tisch aus. Sanft massiert die kreolische Bäuerin die fleischi- gen, schokoladenbraunen Schoten, um das Aroma zu verstärken. Was für ein Duft – blumig, sinnlich, betörend! Der Geruch muss dunkel und harmonisch sein – harmonisch bedeutet eine ausgewogene Sinfonie der vierzig verschiede- nen Aromastoffe, aus denen eine Vanillefrucht besteht. Die 55-jährige verkauft echte Bourbon-Vanille aus eigenem Anbau, eine begehrte Kostbarkeit. Im Süden der Insel, mitten im dichten Regenwald, etwa eine Autostunde vom Markt entfernt, liegt die Plantage der Familie. Hier wachsen die lianenartigen Kletterpflanzen der Vanille an den Palmen empor. Nicht weit von der Plantage lebt Natalie mit ihrem Ehemann und den Kindern. WIE ALLES BEGANN Von Mexiko kommend fand die exotische Orchidee auf La Réunion eine zweite Heimat. Als Handelsreisende Anfang des 19. Jahrhunderts erste Setzlinge in die fruchtbare Vulkanerde pflanzten, trug die Insel noch den Namen Bourbon. Das immergrüne Lianengewächs gedieh prächtig im tropisch-feuchten Klima, aber es wuchsen einfach keine Schoten. Es fehlten die natürlichen Bestäuber aus der Heimat: Bienen oder Kolibris. Vor über 200 Jahren gelang einem jungen Sklaven der entscheidende Kunstgriff: Eines Tages zerdrückte der zwölfjährige Edmond Albius aus Wut über seinen Herrn sämtliche Vanilleblüten der Anlage mit den Fingern. Doch statt zu welken, wuchsen plötzlich Schoten aus den Schlingpflanzen, größer, dicker und ertragreicher als je zuvor in den bisherigen Anbauländern. AUF DIE PFLEGE KOMMT ES AN Die anspruchsvolle Pflanze blüht nur einmal im Jahr für wenige Stunden. Das ist die Zeit, in der Nathalie bei Sonnen- aufgang jeden Morgen zur Plantage fährt, um die Dolden mit der Hand zu bestäuben. Neun Monate braucht die Schote dann, um heranzureifen. Mit einem geschickten Dreh pflückt sie die noch harten Stangen büschelweise vom Baum und schüttet die frische Ernte hinter ihrem Haus auf dicke Matten. Die Schoten sehen aus wie ein Bündel grüner Bohnen, aber noch fehlt ihnen das Wichtigste - das Aroma. Dazu müssen sie erst fermentieren, dieser Prozess verleiht ihnen auch die typisch dunkle, fast schwarze Farbe. Die Schoten werden kurz in ein heißes Wasserbad getaucht, um den Reifungsprozess zu stoppen. Später in Wolldecken gewickelt und einen Tag lang zum Schwitzen in Holzkisten gepackt. Hier speichern die Früchte die Wärme des Wasser- bads und die Metamorphose der Vanille beginnt. Danach geht es zum Trocknen für mehrere Tage in die pralle Sonne und zum Schluss ins heiße Dachgeschoss auf luftdurch lässige Lattenroste, um die Fermentierung zu stoppen. VANILLE – EIN ALLESKÖNNER Nathalie liebt es auf traditionelle Weise über der offenen Feuerstelle zu kochen. Ihr Mann Harry schneidet den Fisch klein, die Töchter zerstampfen die Gewürze im Mörser und bald ist auch der gusseiserne Topf heiß genug, damit das mit Vanille verfeinerte Fisch-Cari darin schmoren kann. Auf La Réunion wird eben auch herzhaft mit Vanille gekocht! Nebenbei rührt Nathalie aus vorgekochten Süßkartoffeln einen Kuchenteig für das Familienpicknick am Sonntag. Dann zerreibt sie ein paar schwarze Vanillesamen zwischen den Fingern und fährt sich damit durch ihr Haar. Ein süßer Duft, der bis zum Morgen an ihr haften wird. Den Duft der Vanille verbinden wir meist mit Süßspeisen, aber die Schote – auch Königin der Gewürze genannt - ist vielseitig einsetzbar. Gerade in der kreolischen Küche werden auch herzhafte Gerichte mit Vanille abgeschmeckt. Früh hielt die Pflanze auch Einzug in die Parfümherstellung und aus der Kosmetikindustrie – Seife, Duschgel, Shampoo - ist der Vanilleduft heute kaum mehr wegzudenken. 59 Schon als kleines Mädchen folgte Nathalie Leichnig ihrer Mutter zur Ernte in den wilden Tropenwald. Heute baut sie selbst nach alter Familientradition Bourbon-Vanille an. Die Schoten gehören zu den begehrtesten Produkten auf der Insel La Réunion. „Meine Früchte haben einen Anteil von drei Prozent Vanillin,“ erklärt Nathalie. „Das ist Weltspitze.“
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==