Indischer Ozean Magazin
REPORTAGE Zwei Geschichten, die beeindrucken Michael Horn erzählt: Mir war es zu langweilig in der Schweiz und ich hatte an den pulsierenden Ländern, die ich in Asien besucht hatte, Gefallen gefunden. 1996 gab ich meinen Job und die Wohnung auf. Ich wollte mir erst das südliche Afrika und Madagaskar ansehen und anschließend nach Südost- asien reisen. Dort etwas Geld verdienen, vielleicht als Eng- lischlehrer, um dann einen Betrieb im Tourismus aufzubauen - mir schwebte so eine Art Traveller Bar vor, welche auch Ausflüge organisieren würde. Nun, es kam anders. In Madagaskar lernte ich eine junge Frau kennen. Ich verliebte mich, beschloss in Madagaskar zu bleiben und hier einen Tourismusbetrieb aufzubauen. Neben dem Reisever- anstalter-Büro hatten wir anfangs auch noch ein Restaurant, welches wir aufgaben, als unser Kind unterwegs war. Fast seit Anbeginn arbeiteten wir mit Patrick, einem Madagassen, der schon einige Jahre im lokalen Reisegeschäft tätig war und viel Knowhow in die Firma mitbrachte, zusammen. Er war immer und ist bis heute mein treuer, verlässlicher Partner und auch Miteigentümer der Firma. Die ersten Jahre waren nicht einfach. Weil die Einkünfte nicht reichten, bin ich mehrfach in der Regenzeit, in der Madagas- kar im Wasser und somit touristisch im Dornröschenschlaf versinkt, in die Schweiz gereist, um mit Gelegenheitsjobs Geld zu verdienen. Aber ich hatte immer daran geglaubt, dass es eines Tages so gut laufen würde, dass wir davon leben können! 2001 kam eine Cholera Epidemie, 2002 dann die politischen Unruhen und ich zog mit meiner Familie für gut zwei Jahre in die Schweiz. Unser Büro in Madagaskar lief mit zwei Angestellten weiter und ich machte nach Feierabend die deutschsprachige Korrespondenz. Im Juli 2004 zogen wir wieder zurück und es ging bergauf. 2008 bauten wir das Haus, in dem auch heute noch unser Büro untergebracht ist. Als 2009 dann der Putsch kam, brach der Tourismus erneut für fast ein Jahr zusammen. Ab 2010 war die politische Situation stabiler und die internationalen Besucher kamen zurück. Wir konnten dank der Teilnahme an internationalen Messen, wie unter anderem der ITB Berlin, unseren Kunden- stamm stetig ausbauen und so international wachsen. Seit Juli 2009 leben wir nun in der Schweiz, aber die Firma in Madagaskar ist weiterhin meine berufliche Beschäftigung. Ich bin täglich in engem Austausch mit unserem Team in Antana- narivo und mehrmals im Jahr vor Ort. Aus der Schweiz kümmere ich mich um das Marketing und die Finanzen. RANAIVO VALISOA HERY IM INTERVIEW Hery, Sie haben es mit etwas Hilfe geschafft sich selbstständig zu machen. Wir würden gerne mehr über Ihre Erfolgsgeschichte erfahren. Wann haben Sie angefangen für Le Voyageur zu arbeiten? 2007 habe ich als einfacher Fahrer in der Region Menabe angefangen und den Shuttle-Service zwischen Morondava und Tsingy zusammen mit einem Reiseführer übernommen. Da habe ich bereits Kunden von Le Voyageur gefahren. Das bedeutet, dass Sie Menschen aus aller Welt getrof- fen und ihnen Ihr Heimatland gezeigt haben. Sicher- lich gab es Sprachprobleme mit den Gästen, da niemand Madagassisch spricht und auch nur wenige Französisch sprechen. Ja, am Anfang war es schwierig, aber in jeder Nebensaison habe ich Englischunterricht an einer Privatschule genom- men. Nach zwei Jahren harter Arbeit habe ich angefangen, Englisch zu sprechen. Um als Fahrer für Touristen in Madagaskar zu arbei- ten, braucht man einen Führerschein sowie sicherlich weitere Qualifikationen? Ich habe meinen Führerschein nur wenige Monate vor meiner Tätigkeit als Touristenfahrer gemacht und mich zu dieser Zeit auch mit KFZ-Mechanik beschäftigt. Mich aber dann auf das Tourismusstudium konzentriert, 2017 die Prüfung bestanden und meine Zulassung als nationaler Reiseführer erhalten. Während dieser ganzen Zeit habe ich immer mit Le Voyageur zusammengearbeitet und bin ihnen sehr dankbar, dass ich so meine Studienkosten bezahlen konnte. Es heißt, Sie hätten Hilfe erhalten, um eine Verände- rung zu erreichen und unabhängig zu werden? Wie sah diese Hilfe aus? Wie hat dies Ihr Leben und das Ihrer Familie verändert? Es hat mein ganzes Leben verändert. Für mich war es mehr als nur Hilfe. Le Voyageur hat mir einen zinslosen Kredit gewährt. Damit konnte ich mir ein eigenes Allradfahrzeug kaufen. Ich hatte jetzt meine Unabhängigkeit, ich war mein eigener Chef. Es hat mein Leben und auch das meiner Familie sehr verändert. Ich konnte sogar einigen meiner Geschwister helfen und habe die Schulausbildung ihrer Kinder ermöglicht. Was macht Ihren Job so besonders? Es ist ein außergewöhnlicher Job, jeder Tag bringt neue Erfahrungen, neues Wissen, neue Entdeckungen ... und jeder Kunde ist eine neue Beziehung. Es gab vielleicht kleine Probleme, die aber immer mit Hilfe der Agentur gelöst werden konnten. Hier arbeiten kompetente Leute, die ihre Arbeit perfekt beherrschen. Ich hatte unterwegs nie ernst- hafte Probleme! Warum sollte ich nach Madagaskar reisen? Madagaskar ist ein beeindruckendes und einzigartiges Land, bekannt für seine außergewöhnliche Artenvielfalt, seine reiche Kultur und seine atemberaubenden Naturlandschaf- ten: die Insel der Wunder. Jeder Gast, auch Ihrer, trägt dazu bei, diese seltenen Ökosysteme zu schützen und die lokale Bevölkerung zu unterstützen. Eine letzte Frage: Was sind Ihre Hoffnungen für die Zukunft? Für sich selbst, Ihre Familie oder Ihr Land? Meine Hoffnung ist, dass der Staat seine Strategie insbeson- dere im Bereich der Infrastruktur verbessert, damit wir mehr Touristen aufnehmen können und so auch dieses Erbe für unsere Zukunft und unsere Nachkommen bewahren können. Abschließend möchte ich sagen, dass ich mich sehr gefreut habe, an diesem Interview teilzunehmen und einen Teil unserer Erfolgsgeschichte zu erzählen. 89 Als Reiseveranstalter arbeiten wir rund um den Globus mit meist kleineren lokalen Agenturen zusammen. Diese betreuen unsere Gäste vor Ort. Ein kleines Team mit meist mehrsprachigen, sehr enthusiastischen und erfahrenen Mitarbeitern steckt hinter jeder Agentur. Zwei spannende Erfolgsgeschichten verbinden unserePartneragentur Le Voyageur auf Madagaskar: die des Schweizer Firmeninhabers Michael Horn und die seines 41-jährigen, langjährigen Fahrers Ranaivo Valisoa Hery.
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