Lateinamerika Magazin

Tango Argentino REPORTAGE Seine Wurzeln liegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Hafen- und Arbeitervierteln von Buenos Aires. Dort ver- schmolzen die Rhythmen afrikanischer Einwanderer, Melodien europäischer Immigranten und die Klänge der kreolischen Bevölkerung zu etwas völlig Neuem: einem Tanz, der Geschichten von Heimweh, Hoffnung und unerfüllter Liebe erzählte. Anfangs von der feinen Gesellschaft abge- lehnt, eroberte er um 1910 Paris – und von dort die ganze Welt. Bald wurde er auch in Argentinien zum Symbol urbaner Kultur. Plötzlich wurde aus dem Tanz der Außen­ seiter ein Symbol von Stil, Leidenschaft und Geheimnis. In Buenos Aires selbst gewann er nun auch die Herzen der Mittelschicht und wurde zum kulturellen Aushängeschild einer ganzen Nation. Nach Jahren der Stille brachte die Bühnenshow „Tango Argentino“ in den 1980ern den internationalen Durchbruch – und machte den Tanz erneut weltberühmt. Heute ist Tango Argentino ein lebendiges Kulturerbe und ein fester Teil des Stadtbilds von Buenos Aires. Er prägt nicht nur die großen Shows wie etwa La Ventana, sondern vor allem das echte Leben bei den traditionellen Tangotanzver- anstaltungen, den Milongas, die an den Wochenenden auch tagsüber stattfinden. In Stadtteilen wie San Telmo, Almagro oder La Boca öffnen sie Nacht für Nacht ihre Türen. Dort tanzen Einheimische Schulter an Schulter mit Touristen, Jung mit Alt, Anfänger mit erfahrenen Tänzern. Die Atmosphäre ist einzigartig: gedämpftes Licht, Musik aus den goldenen Jahren, das leise Scharren der Tanzschuhe auf dem Parkett – und dieses Gefühl, Teil einer Tradition zu sein. Reisende erleben den Tango hier auf ganz unterschiedliche Weise. Viele besuchen die berühmten Bühnenshows wie „Señor Tango“ oder „El Viejo Almacén“, wo Spitzenpaare zu Live-Orchester tanzen. Andere zieht es direkt zu den Milongas, wo man mittanzen oder einfach nur zusehen kann. Immer mehr Gäste nehmen auch Unterricht – von einer privaten Stunde bis zu mehrtägigen Workshops. Für viele wird daraus mehr als eine Urlaubsaktivität: ein intensi- ves Erlebnis, das sie verändert, weil Tango so tief ins eigene Empfinden führt. Doch trotz seiner Popularität bleibt Tango Argentino etwas Persönliches. Er wird nicht strikt einstudiert, sondern lebt von Improvisation und dem Moment. Führender und Folgender gestalten jeden Schritt neu – so wird jeder Tanz zu einem einmaligen Gespräch ohne Worte. Für viele Reisende ist Tango daher mehr als ein Programm- punkt – er ist ein authentischer Zugang zur Seele Argentiniens. Wer einmal erlebt hat, wie zwei Tänzer in inniger Umarmung über das Parkett gleiten, spürt schnell: Tango ist zeitlos, voller Leidenschaft, Melancholie und stiller Poesie. Und genau das macht ihn unvergesslich. Sehnsucht und Leidenschaft. Kaum ein Tanz vermag Herz und Seele so tief zu berühren wie der Tango Argentino. Er ist mehr als Bewegung zur Musik – er ist ein stiller Dialog voller Emotionen, ein Spiel von Nähe und Distanz, ein gelebtes Gefühl, das jede Umarmung erzählt. 55

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