Lateinamerika Magazin
REPORTAGE Von einem, der nach Bolivien auszog und sein Glück fand Bastian, Du lebst nun schon geraume Zeit in Bolivien. Wie kam es dazu? Die erste Saat für meine Liebe zu Bolivien wurde tatsächlich während einer sechsmonatigen Rucksacktour durch Lateinamerika gesät. Wieder in Deutschland, habe ich eine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann bei einem großen Reiseveranstalter absolviert, anschließend noch ein Studium angehängt. Das ist ja erstmal noch weit weg von einer Selbstständigkeit in Bolivien. Wie kam es dazu, dass Du dann tatsächlich ausgewan- dert bist? Das ist eigentlich eine kuriose Geschichte (lacht). Ich habe in der Münchner U-Bahn einen Bolivianer kennengelernt. Wir wurden gute Freunde und haben gemeinsam ein sozialverträgliches Umweltprojekt mit den Yuracaré Indianern im Urwald entwickelt. Ziel war es, einfache Unterkünfte für Besucher zu bauen und ihnen das Leben der Urwaldbewohner so näherbringen zu können. 2006, als in Deutschland die theoretischen Arbeiten abgeschlossen waren, reiste ich zur praktischen Umsetzung nach Bolivien. Parallel habe ich eine deutschsprachige Internetseite mit touristischen Informationen zum Land aufgebaut, da es so etwas bisher nicht gab und die Informationsbeschaffung mühevoll war. ABER, in dieser Anfangszeit habe ich mich nicht nur in das Land verliebt. Bereits kurz nach meiner Ankunft in Bolivien lernte ich meine Frau Carolina kennen, die gerade in Deutschland ihr Studium beendet hatte und nach Hause kam. Aus dem gemeinsamen Projekt für die Yuracaré Indianer bin ich 2007 ausgestiegen. Um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, habe ich über meine Plattform Reise- bausteine verkauft und für Verlage Reiseführer aktualisiert. Irgendwann kontaktierte mich tatsächlich jemand aus Deutschland, ob ich nicht als Reiseleiter seine Gruppen unter anderem durch Bolivien führen wollte. Und so wurdest Du zum lokalen Reiseveranstalter? Nein, zunächst war ich einige Zeit als Reiseleiter unterwegs und erweiterte mein Wissen über Land und Leute mit jeder Tour. Es brauchte erst einen bolivianischen Mentor, der mir den letzten Schubs in die Selbstständigkeit gab. Ein alter Hase im bolivianischen Tourismusgeschäft sah in mir den geeigneten Partner und zusammen gründeten wir 2013 Creative Tours. 2019 machte ich mich dann endgültig mit meiner eigenen Firma Landmark Bolivia selbstständig. Im März 2020, meine Firma war noch jung und der Tourismus in Bolivien recht überschaubar, standen plötzlich alle Flugzeuge am Boden und niemand reiste mehr. Eine schwierige Zeit für alle, die in diesem Bereich tätig waren. Aus dem langen Dornröschenschlaf erwachte das Land tatsächlich erst wieder zur Jahreswende 2022/23. Was macht das Land so einzigartig? Bolivien ist für mich eines der schönsten Länder der Welt, wenn nicht sogar DAS schönste Land. Es ist weitgehend noch touristisch unberührt. Hat dazu eine interessante und zum Teil noch recht authentische und lebendige indigene Kultur. Und einfach eine immense Vielfalt an Naturräumen vom Tiefland bis zu den vergletscherten Andengipfeln. Was fasziniert Dich so an Deiner Arbeit? Ich liebe es, eigene Reisen für meine Familie zu planen und zu organisieren. Und plötzlich habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht, wer kann das schon von sich behaupten? Heute kann ich die komplette touristische Bandbreite bedienen: vom Konzept bis zur Durchführung, von der Flugbuchung bis zur Reiseleitung. Ich kann den Menschen, die Bolivien besuchen, die Schönheit dieses unglaublich aufregenden Landes zeigen, das ist toll. Mitverantwortlich zu sein, dass die lang ersehnten Urlaubstage zu unvergessli- chen Erlebnissen werden, die noch jahrelang in Erinnerung bleiben, das ist sehr erfüllend. Und dann hast Du noch ein Hotel gebaut. Wie kam es dazu? Der gemeinsame Traum meiner Frau und mir war ein eigenes kleines Hotel. In den Bergen, außerhalb der Stadt Cochabamba bot sich ein Grundstück perfekt an. In sieben Jahren haben wir mit viel Schweiß und Ausdauer, Stein auf Stein unseren Traum wahr werden lassen. Das kleine Berghotel Carolina erlangte einen nationalen Ruf unter der einheimischen Bevölkerung: als Erholungsziel mit persön- licher Betreuung, gutem Essen und schönen Wanderwegen in einem großen, geschützten Privatwald. Und dann kam der nächste Rückschlag, das war 2023 richtig? Genau, Ende August 2023 brannte der Wald auf dem Berghang rings ums Hotel bis fast an die Grundmauern ab. Es war Brandstiftung! Das Hotel wurde glücklicherweise verschont, aber da die Strom- und Wasserzufuhr gekappt war mussten wir schließen. Wir haben der Landschaft und uns, der Familie und dem Team, etwas Zeit gegeben Zeit, sich zu erholen und den Schreck zu verarbeiten. Wir haben viel aufgeforstet und renoviert und im März 2025 endlich unter neuem Konzept, das Carolina wieder eröffnet. Eine letzte Frage: Warum sollte ich nach Bolivien reisen? Da fallen mir ganz viele Sachen ein! Um einmal... ...die größte Salzwüste der Welt - den Salar de Uyuni - im Allradfahrzeug zu durchqueren, umringt von imposanten Vulkanen und gespickt von kleinen Inseln, mit hohen Säulenkakteen. ...eine Allradtour durch die Sand- und Steinwüsten im südlichen Altiplano, wie die Siloli-Wüste, zu unternehmen mit ihren tollen, bunten Hochlandlagunen - Heimat von drei Flamingo-Arten! ...La Paz mit seiner verrückten Stadtgeographie, überragt von den vergletscherten sechstausendern der Königs kordillere! Doch daneben gibt es noch viel mehr: Den Amazonas-Regenwald, indigene Völker, tropische Überschwemmungs- gebiete mit einer riesigen Artenvielfalt bei Flora und Fauna: rosafarbene Flussdelfine, Anakondas, Kaimane und Wasser- schweine. Oder mystische Nebelwälder, wo der Andenbär lebt. Außer Strand und Meer bietet Bolivien alles! ...Falsch, die Sandstrände und glasklares Wasser gibt es am Titicacasee, dem bolivianischen Andenmeer. Viele träumen vom Leben und Arbeiten im Ausland. Ein Ziel, das neben einer atem beraubenden Natur und einer faszinierenden kulturellen Vielfalt viel zu bieten hat, ist Bolivien. Der Deutsche Bastian Müller ist dorthin ausgewandert und betreut gemeinsam mit seinem Team von Landmark Bolivia internationale Reisende. Wir hatten die Gelegenheit mit ihm ein Interview zu führen. 85
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